Es fühlt sich an, als würden sich Pfeile durch den Schädel bohren: Clusterkopfschmerzen übertreffen in ihrer Stärke sogar Migräneanfälle. Gegen die Schmerzschübe helfen nur spezielle Medikamente.
Es fühlt sich an, als würden sich Pfeile durch den Schädel bohren: Clusterkopfschmerzen übertreffen in ihrer Stärke sogar Migräneanfälle. Gegen die Schmerzschübe helfen nur spezielle Medikamente.

Ohne ersichtlichen Grund sind sie plötzlich da. Sie bohren sich wie Pfeile durch den Schädel zum Auge, treiben den Menschen fast zum Wahnsinn. Clusterkopfschmerzen ( Bing-Horten-Syndrom ) zählen zu den schlimmsten Körperqualen, die ein Mensch ertragen kann, man nennt sie auchSuizid-Kopfschmerz“. Die periodisch auftretenden Schübe können sich einige Wochen hinziehen, klingen dann ab, um irgendwann erneut zu beginnen.

Glücklicherweise ist die Erkrankung sehr selten. Höchstens ein Promille der Deutschen leidet an den wiederkehrenden Attacken. Meist tauchen diese erst um das 30. Lebensjahr auf, können aber auch in jedem anderen Alter auftreten. Dabei trifft es größtenteils Männer; Frauen sind nur zu einem Viertel betroffen. Weshalb das so ist, wissen die Forscher bislang nicht. Ebenso ungeklärt ist, weshalb die Anfälle während der Schübe gehäuft auftreten.

Entzündete Venen hinterm Augapfel

Wie die Schmerzen entstehen, ist dagegen gut beschreibbar. Hinter dem Augapfel befindet sich ein dichtes Geflecht aus vielen kleinen Venen. Es ist bestückt mit Schmerzrezeptoren. Dort sammelt sich das Blut aus dem Kopf und wird zum Herzen weitergeleitet. Entzündet sich dieses Geflecht aus Venen, quellen die Gefäße auf. Das Blut wird nicht mehr richtig abtransportiert, der Innendruck in den Adern steigt und quetscht die schmerzempfindlichen Rezeptoren. Was diese Entzündung auslöst, ist bislang noch unbekannt. Mediziner vermuten, dass sie ihren Ursprung im mittleren Bereich des Gehirns, dem Hypothalamus, und im Hirnstamm hat.

Eines ist aber leider sicher: Heilen lässt sich die Krankheit bislang nicht. Menschen, die an Clusterkopfschmerzen leiden, müssen lernen, mit der Pein umzugehen. Und sie müssen herausfinden, was ihnen am besten dagegen hilft.

Symptome

Sie sind kaum zum Aushalten. Sie treiben Menschen an den Rand der Verzweiflung. Nicht einmal die stärkste Migräneattacke kann Clusterkopfschmerzen in ihrer Intensität übertreffen. Betroffene sind äußerst geplagt, denn die Attacken kommen meist in bestimmten Perioden gehäuft vor. Solche aktiven Clusterperioden dauern in der Regel vier bis zwölf Wochen. In dieser Zeit kommt es immer wieder zu schmerzvollen, heftigen Attacken, die sich in extremen Fällen bis zu acht Mal am Tag wiederholen.

Unbehandelt halten diese Schübe dann etwa 30 Minuten an, können sich aber auch bis zu drei Stunden hinziehen. Ohne Medikamente wäre das nicht zu ertragen. Aber Menschen mit Clusterkopfschmerzen lernen, mit dem Schmerz umzugehen und sind daher in der Regel medikamentös versorgt.

Die Pein kommt oft nachts

Viele Betroffene können die Uhr nach dem Kopfschmerz stellen. Stecken sie in einer Clusterphase, treten die Schmerzen meist zu bestimmten Tageszeiten auf: vorwiegend nachts zwischen ein und drei Uhr oder etwa am frühen Nachmittag. Mitunter kündigt sich die Attacke vorher an, durch ein Brennen oder Kribbeln auf einer Seite des Gesichts.

Meist jedoch überfällt der Schmerz die Erkrankten regelrecht. Er reißt sie nachts aus dem Tiefschlaf oder bricht während einer Pause am Arbeitsplatz über sie herein. Dabei wütet er nur auf einer Gesichthälfte: hinter, über oder neben dem Auge. Als würden ihnen glühende Nadeln oder Messer durch das Auge gestoßen oder ein Auge von innen herausgedrückt - so beschreiben Betroffene die Qual. Innerhalb weniger Minuten breitet sich dieses Stechen in Richtung Stirn und Schläfen aus oder zieht sich bis in den Rachen oder in die Ohren.

Dann folgt rasende Unruhe. Während Migränekranke sich in einen abgedunkelten Raum zurückziehen und absolute Ruhe brauchen, laufen Menschen mit Clusterkopfschmerzen unruhig im Zimmer auf und ab, öffnen und schließen das Fenster des Schlafzimmers, wippen apathisch mit dem Oberkörper, malträtieren das Gesicht mit der flachen Hand, hauen mit der Faust auf den Tisch oder schlagen vor Schmerz ihren Kopf gegen die Wand.

Das Auge tränt, die Nase läuft

Menschen, denen eine Attacke widerfährt, steht das Leid im Gesicht geschrieben:

  • Auf der schmerzenden Seite tränt das Auge,
  • es ist stark gerötet,
  • das Lid fällt nach unten,
  • die Pupille verengt sich.
  • Auf der Schmerzseite läuft die Nase oder sie ist verstopft.
  • Schweiß bricht aus.
  • Schwindel und Übelkeit stellen sich ein.
  • In Einzelfällen kommt es zu Überempfindlichkeit gegen Lärm und Licht.

Vorsicht vor Alkohol

Bislang wissen Mediziner nicht, was die Clusterperioden auslöst. Bekannt ist allerdings, was einzelne Attacken während einer Periode hervorruft. Oft sind das Dinge, die den Menschen ansonsten nichts ausmachen. Alkohol beispielsweise ist ein solcher Auslöser, bei dem es vornehmlich auf die Dosis ankommt. Während kleine Mengen Alkohol während der Clusterperiode mit ziemlicher Sicherheit zur Attacke führen, verhindern größere Menge diese nachweislich sogar.

Histamin in Lebensmitteln oder der Kontakt mit Lösungsmitteln können ebenfalls riskant sein. Abzuraten ist auch vom Wandern im Hochgebirge. Durch den niedrigeren Sauerstoffgehalt in der Luft laufen Betroffene Gefahr, eine Kopfschmerzattacke zu bekommen.

Unangenehme Verwandte

Es gibt eine Reihe von anderen Krankheiten, die mit Clusterkopfschmerzen zu verwechseln sind:

  • Die paroxysmale Hemikranie ist ein Kopfschmerz, der halbseitig und anfallsartig auftritt. Sowohl Symptome als auch Begleiterscheinungen dieser Krankheit stimmen mit denen der Clusterkopfschmerzen größtenteils überein. Allerdings treten die Attacken viel häufiger auf und halten nicht so lange an. Betroffen sind hauptsächlich Frauen, während am Clusterkopfschmerz fast nur Männer leiden.
  • Die Migräne grenzt sich vor allem durch die Dauer der Attacken ab. Während der Clusterkopfschmerz höchstens drei Stunden anhält, läuft ein Migräneanfall über vier bis zweiundsiebzig Stunden. Der Schmerz verschlimmert sich dabei mit jedem Pulsschlag. Die typischen Begleiterscheinungen einer Clusterattacke bleiben aus. Menschen mit Migräne meiden Licht und Lärm und brauchen Ruhe. Menschen mit Clusterkopfschmerz legen sich meist nicht, haben den Oberkörper aufrecht und sind motorisch unruhig.
  • Bei der Trigeminus-Neuralgie durchzucken kurze Schmerzblitze einseitig das Gesicht im Bereich der Kaumuskulatur, der Lippen, der Zunge oder der Wangen. Oft wird der Schmerz ausgelöst durch Sprechen, Kauen oder Rasieren. Nach einigen Sekunden ist er zwar weg, kann sich aber in Abständen wiederholen.
  • Auch Augenerkrankungen wie der Grüne Star können ein Stechen hinter dem Auge hervorrufen. Allerdings geschieht dies nicht in den so typischen Clusterrhythmen. Die Betroffenen leiden auch nicht unter Tränenfluss oder einer verstopften Nase. Bei Clusterkopfschmerz treten auch keine Sehstörungen auf. Bei keinem dieser Kopfschmerzerkrankungen ist der Schmerz so groß wie bei Clusterkopfschmerz.

 

Diagnose

In jedem Fall sollten Menschen, die an heftigen, wiederkehrenden Kopfschmerzen leiden, einen Arzt aufsuchen. Das kann der Hausarzt sein, wenn er erfahren darin ist, Kopfschmerzdiagnosen zu stellen. Ansonsten empfiehlt es sich, zu einem Nervenarzt, einem Neurologen, zu gehen. In beiden Fällen versucht der Arzt mithilfe eines ausführlichen Gesprächs, der sogenannten Anamnese, die Art der Kopfschmerzen festzustellen.

Viele Menschen halten Migräne für die Ursache ihres Leidens - und beschreiben ihre Beschwerden entsprechend. Clusterkopfschmerzen unterscheiden sich aber in vielem von einer Migräne. Für eine korrekte Diagnose ist es daher sehr hilfreich, wenn die Betroffenen ein Kopfschmerz-Tagebuch führen, in das sie all ihre Beobachtungen aufschreiben. Ein wichtiger Baustein für die Diagnose können auch Fotos sein - aufgenommen zu Hause vor dem Spiegel, während einer Attacke. Denn Tränenfluss und ein hängendes Augenlid weisen eindeutig auf Clusterkopfschmerz hin.

Zwei Verlaufsformen

Clusterkopfschmerzen treten in zwei Formen auf:

  • Episodisch: Es kommt in einem Zeitraum von vier bis zwölf Wochen täglich zu Kopfschmerzattacken. Danach bleiben die Schmerzen aus. Den einen lassen sie zwei Jahre lang in Ruhe, die andere gerade mal vier Wochen. 90 Prozent aller Betroffenen leiden an dieser episodischen Form.
  • Chronisch: Bei einem Zehntel aller Betroffenen treten die Attacken viel häufiger auf, oft sogar täglich über viele Jahre hinweg. Am stärksten sind die Schmerzphasen im Frühjahr und Herbst.

Therapie

Menschen mit Clusterkopfschmerzen wissen, dass der glühende Schmerz innerhalb von Minuten sehr stark anwachsen kann. In einem solchen akuten Anfall verspüren die Betroffenen nur noch einen Wunsch: Die Qual möge aufhören. Während andere Kopfschmerzgeplagte es mit Ruhe und Entspannung probieren können, brauchen Menschen mit Clusterkopfschmerzen die Hilfe der modernen Medizin. Hausmittel bringen nichts.

Für den akuten Anfall stehen folgende Möglichkeiten zur Verfügung:

  • Sauerstoff: Inhalieren die Schmerzgeplagten für zehn Minuten reinen Sauerstoff, geht es ihnen bereits nach einigen Minuten deutlich besser. Es gibt spezielle Flaschen mit Sauerstoff samt Atemmaske, die für zu Hause gedacht sind sowie kleinere Geräte für unterwegs. Der Sauerstoff hat keine Nebenwirkungen.
  • Sumatriptan subcutan: Das Medikament setzen Mediziner auch erfolgreich gegen Migräne ein; es ist verschreibungspflichtig. Spritzen die Betroffenen die Arznei mit einem Pen direkt unter die Haut, entfaltet sie ihre Wirkung am schnellsten. Sumatriptan gibt es aber auch als Nasenspray. Die Wirkung tritt spätestens nach 15 Minuten ein. Fast drei Viertel der Betroffenen sind dann schmerzfrei. Eine Alternative ist Zolmitriptan-Nasenspay.

Vorbeugen ist besser als eine Notfalltherapie. Zur Prophylaxe sind folgende Medikamente geeignet:

  • Verapamil retard: Diese Substanz kann die Schmerzen während einer Clusterperiode verhindern, sofern Betroffene sie in diesem Zeitraum täglich einnehmen. Zwei Dritteln aller Erkrankten hilft dies. Abhängigkeiten riskiert niemand.
  • Kortison: Wenn Verapamil nicht anschlägt, kann Kortison eine Alternative sein. Das ist allerdings nicht ganz ungefährlich. Zwar wirkt das Medikament bei fast jedem Menschen mit Clusterkopfschmerzen sehr effektiv, es hat aber starke Nebenwirkungen, wenn es längere Zeit eingenommen wird. Denn es sind so hohe Dosen Kortison nötig, dass es zu Nervosität, Schwindel, Schlafstörungen oder Wassereinlagerungen im Gewebe kommen kann.
  • Lithium, Topiramat: Diese Medikamente sind besser verträglich. Sie zählen nicht zu den Mitteln erster Wahl, ihre Wirkung ist unzuverlässig.